Montag, 26. November 2007
Immer noch Streik
Ein fröhliches Hallo Euch allen da draußen in der freien Welt.
Hier wird noch immer gestreikt, zumindest wird die Uni noch blockiert. Dass die Mehrheit der Studenten davon langsam nicht mehr begeistert ist, hat sich bei der letzten anonymen Wahl gezeigt, an der wir alle Dank unserer Netzanschlüsse teilhaben durften. Von ca. 25.000 Studenten haben ca. 8.000 ihre Chance zur freien Meinungsäußerung genutzt. Die restlichen beschränken sich nachher sicher lieber wieder aufs meckern... Naja zumindest kommen wir nicht rein in die Uni. Nicht nur theoretisch wird hier blockiert, sondern ganz praktisch sind die Türen mit Stühlen, Tischen und sehr überzeugten Studenten zugestellt. Da kann man nur froh sein, dass man bei der Schließung schon draußen war. Immer noch besser aus- als eingeschlossen. Nun ja, da auch unsere Uni-Präsidentin insofern kleinbei gegeben hat, dass sämtliche Gebäude dann auch offiziell "aus Sicherheitsgründen" geschlossen wurden, haben wir nun unfreiwillig einen großen dicken Haufen Zeit:

In solchen Momenten entsinnt man sich gern unseres eigentlichen Anliegens, welches uns in dieses schöne, wenn auch momentan hitzige, Land verschlug: Unsere Suche nach dem Sinn Frankreichs. Tja und da die Uni zwar zu ist, die Universitätsausflüge jedoch trotz allem durchgeführt werden, haben wir uns aufgemacht ins schöne Beaujolais. Wenn schon Streik, dann wenigstens mit Stil. Der ein oder andere Kenner der französischen Küche oder des französischen Weinkellers wird wissen, dass am 15. November die Ankunft des "Beaujolais Primeur" gefeiert wird. Einem Wein, dem überall auf der Welt Tribut gezollt wird für sein...na für sein...Ja, wofür eigentlich? Wahrscheinlich für den Rummel der darum gemacht wird. Der Beaujolais primeur, heißt dann so, wenn er maximal fünf Tage im Fass gereift ist, falls er in der kurzen Zeit überhaupt schon mal Lust darauf bekommen haben sollte. Schmecken tut man's nämlich, bei Gott, der ja bekanntlich hier wohnt, nicht.

Naja, wir haben uns also mit einer Horde internationaler Studenten, wie wir uns ja nun auch schimpfen dürfen, auf den Weg in diese schöne Region gemacht. Auf dem Programm stand unter anderem eine Weinverköstigung. Hört sich gut an. Nachdem die ungefähr anderthalb Stunden dauernde Busfahrt zunehmend auf Klassenfahrtniveau abzurutschen drohte (man mag nicht glauben, wie sehr japanische Sauflieder nerven können), machte sich der ein oder andere schon Sorgen, dass man bei der folgenden Weinverköstigung eventuell einen schlechten Eindruck auf die einheimischen Winzer machen könnte. Diese Angst war jedoch völlig unberechtigt. Sowohl der Ort, als auch die Veranstaltung der Verköstigung selbst, schienen genau auf ein solches, vorsichtig ausgedrückt, vollkommen geistig degeneriertes Publikum ausgelegt gewesen zu sein. Sollte das etwa der studentische Ruf sein? Die 3 Stunden dauernde Weinverköstigung bestand aus einer fünfminütigen Erklärung des Prozesses der Weingewinnung ("Das da sind die Fässer, hier kommt der Wein raus."), zwei Stunden sehr lustigen Spielen, wie "Versuche mit dem Stift am Faden die Flaschenöffnung zu treffen" und ähnlichen Partyknallern und einer knappen Stunde Verkaufsveranstaltung für den leckeren Wein... Während der schönen Spiele, hatte der eher etwas abgeneigte Student Zeit, sich den Wein zu Gemüte zu führen. Nachdem ein spanischer, übrigens sehr netter, Student zwei Korken in den Flaschen versenkt hatte (zugegeben, er hatte Gegenwind und der Korkenzieher war kein Profiöffner), mussten die Deutschen den Öffnungsprozess in die Hand nehmen. Nach schnellem problemlosen Entfernen des Korkens aus dem Flaschenhals und kurzer Beratung kamen wir darauf: Der Spanier hatte wahrscheinlich gedrückt statt gezogen. Das passiert den besten. Aber als der edle Traubennektar unsere Lippen befeuchtete, kam die Überraschung: Schmeckt nicht. Auch als Laie weiß man, dass man Rotwein nicht kalt zu sich nimmt. Ja, der Kenner mag behaupten, dass der Beaujolais primeur und überhaupt sehr junger Wein gerne auch kälter kredenzt werden. Aber ich behaupte hier, und stelle mich jeglicher Kritik, dass dieser Wein nur noch aufgrund seines Alkoholgehaltes nicht gefroren war. Das ist einem aber zum Glück nach dem vierten Glas egal. Nachdem dann 60 Studenten die 6 Flaschen geleert hatten (da erkennt man doch sofort die Rechnung) und den typisch französischen Käse, der sich als gewürfelter Emmentaler entpuppte, verschlungen hatten und trotzdem keiner Lust hatte sich eine Flasche dieses Nektars der Natur für 27€ zuzulegen, begaben wir uns, nach kurzem Umweg über die Toiletten, wieder in den Bus. Die nächste Station war ein ganz tolles altes Dorf, sogar mit irgendeinem Bezug zum Mittelalter. Dort gabs dann "pique-nique hors du sac", also selbstmitgebrachtes Picknick, was wirklich den Höhepunkt des Tages darstellte. Picknick aus dem Sack...Erinnert sofort an das Kindermärchen "Knüppel aus dem Sack". Der Knüppel wäre auch nicht schlecht gewesen; damit hätte man sich ein bis zweimal kräftig auf die hohe Stirn hauen können, um dann den Rest des Ausflugs in seeliger Umnachtung zu verbringen. Nach dem Besuch in diesem absolut einzigartigen Dörfchen, fuhren wir weiter. Auf dem Weg zu unserem nächsten und letzten Ausflugsziel durchfuhren wir nochmal ein paar kleine Dörfchen, die unserem absolut einzigartigen vorher besuchten Dörfchen allerdings doch sehr ähnlich sahen. Aber wer weiß, vielleicht sind wir ja auch im Kreis gefahren. Unser nächstes Ziel war ein Haus, oder so, welches einem sehr sehr linken Künstler gehört, oder auch nicht, "es gehört allen". Dieser hat es in den letzten zwanzig Jahren in Schwerstarbeit schwarz angemalt. Aber der künstlerische Gedanke zählt schließlich. Er erzählte uns viel über Chaos, Anarchie, die böse Staatsgewalt und den noch böseren Kapitalismus. Als er uns durch den Innenhof seines Anwesens führte fiel ihm wohl selbst am wenigstens auf, dass die beiden Jeeps und der Jaguar nicht so ganz in das Bild passten, was er uns zu vermitteln versuchte. Aber wer weiß, vielleicht will er damit ja den ein oder anderen Kapitalisten überfahren. Als wir auch aus diesem Kelch, der da eigentlich an uns hätte vorübergehen sollen, geklettert waren und wieder im Bus saßen, traf uns zum einen Müdigkeit und zum anderen die Gewissheit, dass das der letzte universitäre Ausflug für dieses Jahr sein sollte.
Fragt sich jetzt, wann der Streik denn nun endlich vorbei sein wird. Einige Franzosen, die dieses Prozedere wohl schon kennen, haben uns vorgewarnt, dass das gut und gerne auch mal 6 Wochen dauern kann, bevor dann wieder weitergehen kann. Das wären dann ja jetzt nochmal vier Wochen nix. Aber dann ist ja wenigstens Weihnachten. Da haben wir ja regulär frei. Hoffentlich streikt der Weihnachtsmann nicht...
Na was soll man tun. Und wenn's uns dann doch wieder langweilig wird vor lauter Freizeit? Naja, vielleicht machen wir dann mal n Ausflug. Mal sehn vielleicht bietet die Uni ja was an...

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